4. Adventwoche
4. Adventwoche

Die letzte Rate

zwei Geldscheine

Fünfhundert Euro. Die letzte Rate. Endlich schuldenfrei! Nach so vielen Jahren des Verzichts und der Entbehrungen. Jetzt gehört das Haus wirklich uns. Unser kleines Haus, unser kleiner Garten. Fällig ist die Rate erst zum Jahresende, aber heute wurde die Weihnachtsrenumeration überwiesen, und er hat den Schein noch schnell vor Kassaschluss in der Bank eingelöst. Das wird das schönste Weihnachtsgeschenk für Eva. Na ja, und auch für ihn. Für sie beide.
Wie soll er die fünfhundert als Überraschungsgeschenk verpacken? In einem Briefumschlag? Das sieht mickrig aus. Aber wenn er den in eine große Schachtel legt, oder in eine kleine und dann erst in eine große…
Beinahe hätte er Evas Kommen überhört. Als sie die Tür öffnet, schiebt er schnell den Fünfhunderter zwischen die Zeitung, die auf dem Tisch liegt.
„Hallo, Schatz!“ sagt sie. Und: „Gibt’s was Neues?“ Da lügt er sie an und schüttelt den Kopf. Na warte nur! denkt er. „Brr“, sagt Eva, „hier ist’s ja richtig kalt! Und finster! Warum hast du denn kein Licht gemacht?“
Sie knipst die Lampe an, sie geht zum Ofen und nimmt ein paar Scheite aus dem Korb. „Das sind die letzten“, sagt sie. „Wir brauchen Nachschub. Bist du so lieb?“
Er nimmt den Korb, schlüpft in die Schuhe, tritt vors Haus, klaubt vom Stapel den Korb voll.
Als er in die Stube kommt, züngelt schon eine kleine Flamme im Ofen.
Und die Zeitung ist weg!
„Um Gottes willen!“ ruft er. „Wo ist denn die Zeitung?“
Eva schaut ihn überrascht an. So heftig kennt sie ihn nicht. „Ich hab‘ sie zum Unterzünden genommen“, sagt sie, einfach so.
Ihm wird ganz kalt und heiß. „Wie kannst du nur…“, bricht es aus ihm heraus. „Was hast du dir denn dabei gedacht?“ Aber im letzten Augenblick fängt er sich noch, wenn auch mit größter Mühe. Sie kann ja nichts dafür.
Er hätte besser aufpassen müssen. Und es ist Weihnachten, Weihnachten, Weihnachten.
„Was ist denn los mit dir, Schatz?“ fragt Eva erschrocken.
Jetzt hat er sich wirklich im Griff. „Das wirst du bald sehen“, sagt er, scheinbar ruhig.

***

Unter dem Christbaum liegt eine große Schachtel.
„Für mich?“ fragt Eva. Er nickt.
In der großen Schachtel liegt eine kleine Schachtel, und in der kleinen Schachtel liegt ein Briefumschlag. Eva öffnet ihn, und er ist leer. Verständnislos schaut sie ihren Mann an.
„Tja“, sagt er, „was da drinnen sein sollte, hast du in Wärme umgesetzt.“ Und er erzählt ihr die ganze Geschichte.
Jetzt wird
ihr ganz kalt und heiß. „Schatz, Schatz!“ stammelt sie, und schon rinnen ihr die ersten Tropfen über die Wange. Da zieht er sie fest an sich heran und sagt: „Komm! Komm!“ und streichelt ihr übers Haar. „Das war halt Pech“, sagt er. „Und es ist nicht so schlimm!“ sagt er, was sie beide nicht wirklich glauben. Aber es ist halt Weihnachten, Weihnachten, Weihnachten.

***

Vor dem Schlafengehen hängt er seine Jacke ordentlich über den Sessel. Da guckt die Brieftasche hervor, und gedankenlos zieht er sie heraus und öffnet sie.
In der Brieftasche liegt ein funkelnagelneuer Fünfhunderter.
Das kann doch nicht möglich sein! denkt er. Und kapiert schlagartig: Beim Fünfhunderter war auch noch ein Zehner.
Den hat er herausgenommen. Aber nicht einmal im Halbdunkel auf dem Flur kann man einen Zehner mit einem Fünfhunderter verwechseln. Und auch nicht in der hellen Stube. Nie im Leben. Nie! Oder doch?

***

Und da sage noch jemand, dass es keine Weihnachtswunder gibt.

Wolf Harranth

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