Advent 2017: Es ist vier Uhr früh. Mit einem Satz springt Kikki vom Fensterbrett auf mein 70 Zentimeter davon entferntes Bett. Mitten auf meinen Bauch. Langsam steigt sie höher, nähert sich meinem Gesicht, berührt meine Nase mit ihrer Schnauze und schaut mich aus großen Augen an. „Bis du schon wach? Geht es dir gut? Gibt es bald Frühstück?“ scheint sie zu fragen. Ich drehe mich brummend zur Seite. Kikki nimmt zur Kenntnis, dass ich noch nicht die Absicht habe, aufzustehen, sucht sich einen warmen Platz zwischen meinen Beinen und schnurrt (eigentlich gurrt sie eher wie eine Taube). Das Geräusch ist sehr beruhigend, und ich schlafe wieder ein.
Mein Mann und ich wollten nie eine Katze haben, und schon gar nicht in unserem Bett. Kikki war das egal. Sie hat sich uns ausgesucht und war in ihren Bemühungen so hartnäckig, bis sie es endlich geschafft hatte, bei uns einzuziehen. Sie ist eine kleine, neugierige Tigerkatze und sicher schon mehr als zehn Jahre alt.
Kikki kam als junges Kätzchen nach Klosterneuburg und wohnte gegenüber von uns im Haus Nr. 11, bis sie sich eines Tages im Keller des Nebenhauses bei Gertrud Kronfues versteckte und dort nicht mehr weg wollte. Bald darauf brachte sie im Bett von Gertrud vier entzückende Katzenbabies zur Welt. Beim vierten Kätzchen war Kikki schon sehr schwach und auf menschliche Hebammendienste angewiesen. Dieses letztgeborene Kätzchen, das Gertrud Happy nannte, residierte mit ihrer Mutter Kikki fortan im Haus Nr. 9, und die beiden wurden nach Strich und Faden verwöhnt. Die anderen drei Katzenbabies fanden über Vermittlung der Tierärztin auch bald ein neues Zuhause. Auch der rote Kater, Herr Rossini (den Kikki im Jahr davor geboren hatte) fand bald heraus, dass es auf Nr. 9 besseres Futter gab und kam sehr häufig zu Besuch.
Wenn Gertrud bei uns eingeladen war, kam Kikki uneingeladen mit, inspizierte unser Haus oder legte sich in eines der Blumenkisterln vor den Fenstern, was weder die Blumen noch uns sehr freute. Happy war scheu und zeigte sich vor Fremden eher selten. Waren wir gemeinsam beim Heurigen oder im Theater, jammerte Gertrud: „Meine Katzen werden mir was erzählen, dass ich so lange nicht daheim war.“
Mit zunehmendem Alter musste Gertrud immer öfter im Krankenhaus bleiben. In den letzten Wochen ihres Lebens konnte sie das Bett nicht mehr verlassen und hatte
eine 24-Stunden-Betreuung. Sooft ich sie besuchte, lag Kikki auf ihrem Kopfpolster und schnurrte. Ich hatte das Gefühl, dass sich das Tier damit für die empfangene Zuwendung bedanken wollte.
Nach Gertruds Tod wurden die Katzen zwar regelmäßig von uns Nachbarn gefüttert, doch Happy und Rossini fraßen den Hauptanteil, da Kikki nur kleine Mengen auf einmal fraß und später dann nichts mehr da war. Kikki vertrug sich mit ihren Kindern nicht sehr gut und erkundete auf der Suche nach einem neuen Zuhause die Umgebung, bis sie sicher war, dass sie bei uns wohnen wollte. Machten wir die Haustür auf, so lag sie auf unserem Fußabstreifer. Wir ließen sie nicht ins Haus und fütterten sie anfangs auch nicht. Nur manches Mal fiel meinem Mann ein Stückchen Wurst unabsichtlich zu Boden.
Weil aber Kikki so zart war, besprachen wir mit der Erstbesitzerin, dass es der Katze nicht schaden könnte, ihr mittags bei uns eine zusätzliche Mahlzeit zu geben. Für Kikki ein Signal, auch morgens und abends Futter einzufordern und das bereitgestellte Schüsserl auf Nr. 11 zu verweigern. Des Nachts wurde Kikki ausgesperrt, weil unser Haus über kein Katzentürchen verfügt und Kikki doch gewohnt war, nach Belieben ein und aus zu gehen. Sie suchte sich ein Platzerl in unserem Holzstoß und saß morgens etwas verstaubt auf der Türmatte in Erwartung der nächsten Futterration.
Meine Schwiegertochter (dreifache Katzenmama) fand, dass man Kikki beibringen könnte, auf ein Katzenklo zu gehen, und brachte ein Kisterl samt Katzenstreu. Sie setzte die Katze hinein und zeigte ihr, wie sie mit den Pfoten im Sand scharren sollte. Wir saßen am Rand der Badewanne, und Kikki schaute uns ungläubig an. Dann hüpfte sie wieder ins Kisterl und machte ihr Geschäft. „
Mädels, glaubt ihr wirklich, dass ich nicht weiß, wofür so ein Kisterl da ist und wie man es benützt!, schien sie uns mitzuteilen und verließ hernach mit erhobenem Schwanz das Badezimmer.
Wir hatten also keinen stichhaltigen Grund mehr, Kikki nicht bei uns aufzunehmen. Weihnachten 2017 konnten wir uns gar nicht mehr vorstellen, ohne dieses süße, anschmiegsame Tier zu sein, das so viel Freude in unser Leben bringt.
Traude Steiner
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